"Wie im Himmel so auf Erden"

Im April 2020, inmitten der Covid-19 Pandemie, stand die Abgabe des "Kleinen Gesellenstückes" unter dem Leitspruch "Carpenters for future" bevor. Es ist ein durchaus einzigartiges Projekt, welches in der Tischlerinnung  Bonn/Rhein-Sieg als Schulprojekt inmitten der Zwischenprüfung (Ende 2. Lehrjahr) durchgeführt wird. 

 

Das Ziel: Die angehenden Lehrlinge optimal auf die anstehende Gesellenprüfung vorbereiten. 

 

Mit dem Motto "Hand-Werk 4.0 – Möbel für eine bessere Welt" bauten über fünfzig Lehrlinge der Tischlerinnung Bonn/Rhein-Sieg inspirierende Möbelstücke. 

 

Die Aufgabenstellung bezog sich auf den Entwurf, die Planung und die Umsetzung eines eigens konzipierten Möbelstückes. Zusätzlich sollte eine Projektmappe den Gesamtablauf dokumentieren.  

 

 

Eines dieser vielen Projekte wird in diesem Artikel näher beleuchtet, um einen Einblick in die vielfältige Ausbildung des Tischlerhandwerkes zu verschaffen.

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Hier gibt es einige Musikvorschläge zum Weiterlesen!

Worship Instrumental
Alternative Worship Instrumental
Cinematic Instrumental

I. Produktbeschreibung

 

„Wie im Himmel, so auf Erden“

 

Dieses aus über 95% Alt-Holz[1] gefertigte Möbelstück kann grundsätzlich in die Kategorie der Regale eingeordnet werden. 

Konzipiert ist dieses von der Decke hängende, aus vier Teilen bestehende Stück vor allem für Esszimmer oder großzügig eingerichtete Küchen, doch auch in Wohnzimmern kann es hervorragend zur Geltung kommen. 

Auffällig ist nicht nur der im Möbelstück integrierte Kräutergarten, der während leckeren Mahlzeiten ausgezeichnet genutzt und individuell bestückt werden kann, sondern auch die großzügige Gestaltungsvielfalt, da jede einzelne Komponente, verändert und neu angeordnet werden kann. 

 

Gerade wegen der wirklich lebendig wirkenden, geölten Eiche, der frischen grünen Pflanzen und der Möglichkeit das Stück nach Belieben verändern zu können, ist „Wie im Himmel, so auf Erden“ kein totes Holz, sondern ein LEBENDIGES Möbelstück, welches diese Welt vielleicht ein kleines Stücken zu bessern vermag. 

[1] 78% Alt-Eiche aus Kirchenbänken der Stiftskirche Bonn, 17% Resthölzer und 5% Neuholz 

(siehe S.7)

[2] Deutsches Universalwörterbuch, (Duden, 9. Auflage, 2019) Suchbegriff: Nachhaltigkeit 

Diese vier Gewindestangen bilden somit nicht nur optisch, sondern auch konstruktiv, den
 „Roten Faden“

Die Stückbeschreibung

 

„Wie im Himmel, so auf Erden“ ist somit ein 1910mm hohes, 700mm breites und 330mm tiefes Möbelstück.

Grundsätzlich liegen dem Stück viele Parallelen zu einem Regal zugrunde, allerdings grenzt es sich, in einigen wesentlichen Eigenschaften, von der klassischen Ausführung ab. 

Die wohl auffälligste dieser Eigenschaften: Das Regal, bestehend aus vier Teilen, hängt an vier Gewindestangen (M10) von der Decke herab. Diese vier Gewindestangen bilden somit nicht nur optisch, sondern auch konstruktiv, den „Roten Faden“, der durch das gesamte Stück hindurch verläuft. 

Der oberste Teil des Stückes, ein auf 2000mm hängender, eigens angefertigter DSP (Dicke: 20mm), eröffnet ein Motiv, welches sich, wie die Gewindestangen, im ganzen Regal widerspiegelt: 

Sichtbares Kopfholz, welches sich optisch, farblich und strukturell vom Längsholz absetzten soll. 

Der Boden selbst kann als Platz für eine Stereoanlage, Bilder oder aber auch für eine ganz persönliche Matchboxautosammlung dienen. 

Eine Ebene darunter, auf 1480mm, hängt der mit Kräutern und Rankenpflanzen bestückte, auf Gehrung verleimte, 110mm hohe Blumenkasten. 

Auf der dritten Ebene (Oberkante 870mm) hängt das eigentliche „Herz“ des gesamten Stückes: Ein 700mm breiter, 220mm hoher und 330mm tiefer, mit Schwalbenschwänzen gezinkter Korpus. Aufgeteilt in vier Fächer (zwei Außenfächer mit 120mm lichten Innenmaß und zwei 395mm breite, in einer aus eigens angefertigten DSP verleimten Mittelwandkonstruktion (MWK) geführte, Schwalbenschwanz gezinkte Schubkästen) bietet der Korpus hervorragenden Stauraum für Wein- und Spirituosenflaschen an den beiden Seiten und beispielsweise Silberbesteck, Gewürzmühlen, Korkenzieher, und Spirituosengläser in den beiden Schubkästen. 40mm unter dem Korpus schließt ein, als Ablage für Gedeckunterlagen konzipierter Boden das Stück ab. Der Unterboden ist ebenso wie der Oberboden eine eigens hergestellte DSP, welche dem gesamten Regal einen optischen und thematischen Abschluss verleiht. 

 

Konstruktive Besonderheiten liegen vor allem in der Aufhängung vor. Die DSP-böden und der Korpus wurden von unten mit einer Sacklochbohrung versehen, damit die Unterlegscheiben und Muttern, die das Gewicht der einzelnen Möbelteile tragen, verschwinden und nicht mehr sichtbar sind. Der Blumenkasten hingegen wurde so konstruiert, dass der Sperrholzboden den gleichen Effekt wie die Sacklockbohrungen aufweist und die für die Aufhängung benötigten Materialien nicht offen sichtbar sind. 

Der Vorteil dieser Konstruktion: Die verschiedenen Möbelteile können millimetergenau in Wage ausgerichtet werden und mit der Zeit beliebig auf den Gewindestangen verschoben und getauscht oder sogar Teile entfernt oder zugefügt werden. 

 

Um abschließend einige der kleineren Details aufzugreifen, wird ein Blick auf die Schubkästen geworfen. Offengezinkt, bilden sie mit der ringsum verleimten (MWK) aus DSP (14mm) eine optische Einheit und umfassen somit das oben genannte Motiv, des in Szene gesetzten Kopfholzes. 

Die Führung ist hängend gewählt, damit das Vorderstück, welches nicht durchgenutet wurde, die Führungsleisten weitestgehend verdeckt und die Fugenluft gleichmäßig angepasst werden konnte. 

Die von Hand gehobelten, aus Nussbaum gefertigten Griffleisten änderten sich im Bauprozess geringfügig ab. Die eigentliche Idee, den zweiten Schwalbenschwanz eines jeden Schubkastens als dunkele Griffleiste auslaufen zu lassen, konnte letztendlich nicht umgesetzt werden, da die Griffleisten, aufgrund ihrer Dreidimensionalität, zu dominant auf das Stück eingewirkt haben. Daher wurde das Maß um zwei Drittel verkürzt und die Griffleiste zusätzlich auf die optische Mitte angebracht.

 

Das letzte, wirklich unscheinbarste Detail, welches vor allem auf dem Namen des Stückes basiert, liegt den Schwalbenschwänzen des Korpus zugrunde. 

Während die schulisch berechnete Zinkeneinteilung elf Schwalbenschwänze vorsieht, liegen nun sieben Schwalbenschwänze vor und repräsentieren somit die sieben Tage der Schöpfung. 

 

Die zwei Schwerpunkte:

 

Langanhaltende Wirkung  

=Langwierigkeit und Innovation

 

Ökologische Prinzip

=Recycling und Umweltfreundlichkeit

Die Entstehung der Idee

 

Das Motto „Handwerk 4.0 – Möbel für eine bessere Welt“ greift natürlich direkt gesellschaftlich relevante Themen, wie zum Beispiel Nachhaltigkeit, Recycling, Langwierigkeit, Umweltfreundlichkeit und Innovation, auf. 

 

Doch wie kann es gelingen, vielen dieser Anforderungen gerecht zu werden und trotzdem eine klare, einheitliche Linie zu fahren?

 

Diese Leitfrage prägte nicht nur den Beginn des gesamten Planungsprozesses, sondern zog sich durch die gesamte Entwicklung bis hin zum allerkleinsten Detail. 

Das wohl wichtigste der oben genannten Themen ist offensichtlich die Nachhaltigkeit. Durch ihre komplexe Definition beinhaltet sie bereits andere wichtige Themenfelder.

Der Duden definiert Nachhaltigkeit folgendermaßen: 

 

Nachhaltigkeit:

  1. Längere Zeit anhaltende Wirkung
  2. Prinzipien
    1. Forstwirtschaftliches Prinzip, nach dem nicht mehr Holz gefällt werden darf, als jeweils nachwachsen kann 
    2. Ökologisches Prinzip, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen, sich regenerieren, künftig bereitgestellt werden kann.[2]

 

Es gibt also zwei Schwerpunkte: Die langanhaltende Wirkung (Langwierigkeit und Innovation) und das ökologische Prinzip (Recycling und Umweltfreundlichkeit).

 

Der erste dieser zwei Schwerpunkte, die langanhaltende Wirkung, wird demnach durch die Konstruktion gelöst. Die Idee: Bewährte, klassische Holzverbindungen wählen, einen gewissen Gestaltungsspielraum schaffen und etwas Extraordinäres einbringen, ohne das Rad neu erfinden zu müssen. 

Gerade deshalb sind die meisten Eckverbindungen traditionell gezinkt, das Stück kann nach Belieben individuell verändert werden (Bepflanzung und Positionierung der vier Teile) und anders als viele andere Möbelstücke hängt es, „wie im Himmel“, von der Decke herab. 

 

Der zweite, irdische Teil des Namens und eine der von vornherein feststehenden Eigenschaften des Hängeregals basieren allerdings auf dem zweiten Schwerpunkt, dem ökologischen Prinzip der Nachhaltigkeit. Die Hauptaussage des Stückes soll nämlich lauten: Altholz, welches noch so verloren und unbrauchbar scheint (siehe Bildergalerie), birgt eine wirklich beeindruckende Möglichkeit der Wiederverwertung und Neugestaltung. 

Ein wirklich schönes und gelungenes Beispiel dafür bieten die Dreischichtplatten (DSP): Das Alt-Holz, das oftmals von einer Seite wirklich unbrauchbar ist, kann durch die konstruktiven Gegebenheiten einer Dreischichtplatte, die da wäre, dass die Mittelschicht beidseitig verdeckt wird und die Außenschichten nur eine makellose Oberfläche benötigen, genutzt werden. 

Somit bieten alte Kirchenbänke aus Eiche die fast vollständige Grundlage für „so auf Erden“. Die Holzherkunft ist bis auf wenige Ausnahmen aufgrund des Alters und der ursprünglichen Verarbeitung auf Deutschland zu lokalisieren und lange umweltschädliche Transportwege fallen ebenfalls weg, da die Kirchenbänke größtenteils aus der Bonner Stiftskirche stammen. 

Somit bieten alte Kirchenbänke aus Eiche die fast vollständige Grundlage für „so auf Erden“.

Nachhaltigkeit, 
Recycling, 
Langwierigkeit, Umweltfreundlichkeit und Innovation

II. Ideen und erste Entwurfsskizzen

 

Neben einer Vielzahl von unbrauchbaren Kritzeleien zeichnete sich Mitte Januar 2020 langsam, aber sicher die Grundidee ab. Fest stand: Es sollte ein an Gewindestangen aufgehängtes Möbelstück werden, welches verschieden ausgeführte Ebenen beinhaltet und aus Alt-Eiche gebaut werden soll. 

Die Ausführung des Korpus basierte lediglich auf ersten Ideen und Träumen. 

 

(Skizze 1)

 

In den Februar hinein konkretisierten sich vor allem die Proportionen. In der Werkstatt wurden Transportspanplatten zugeschnitten und zusammen geschraubt, um vor allem die Maße des Korpus festzulegen, welche im Nachhinein auf allen anderen Ebenen übernommen wurden. 

 

Am 10.02.2020 zeichnete sich, neben der konkreten Ausführung des Korpus und der anderen Komponenten, vor allem der Name ab. Der Grundstein für „Wie im Himmel, so auf Erden“ war gelegt und konkretere Skizzen und Zeichnungen konnten Folgen. 

 

(Skizze 2)

 

 

III. Die ersten konkreten Vorzeichnungen

 

Mit der Erwartungshaltung nicht nur zeichnerische, sondern auch konstruktive und fachliche Fehler besser entdecken zu können, wurden die ersten drei aufwendigen Vorzeichnungen gefertigt. 

Über den Planungsprozess hinaus wurden zeichnerische Fehler entdeckt und korrigiert, fachliche Besonderheiten und Schwierigkeiten mit dem Ausbilder besprochen und letzte Maß- und Detailänderungen vorgenommen. 

(Skizze 1)
(Skizze 2)

IV. Schwierigkeiten während der Bauphase

 

Grundsätzlich ist die Bauphase des Kleinen Gesellenstückes in ihrer Gesamtheit sehr positiv verlaufen, was im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass es nicht auch zu Komplikationen gekommen ist.

 

Die erste Schwierigkeit lag definitiv in der Holzauswahl. Das Altholz, welches teilweise nicht unterschiedlicher hätte sein können, bereitete viele knifflige Situation, die oftmals mehr Zeit in Anspruch genommen haben, als es die durchschnittliche Eiche-Bohle, oder Leimholzplatte getan hätte. 

Einige wenige Beispiele dafür wären das Zinken, aber vor allem der Zuschnitt und die Herstellung der Dreischichtplatten.

 

Auch die Schubkästen bargen einige Schwierigkeiten, die dafür sorgten, dass sich der Arbeitsablaufplan um mehrere Stunden verzögerte. 

Das Nuten der Führungen, das Verputzen des Kastens, aber allem voran das Einpassen der Schubkästen in die Führungsleisten nahm zum Ende hin sehr viel Zeit in Anspruch, weil all diese Arbeiten zum ersten Mal durchgeführt wurden. 

 

Um abschließend eine der letzten Hürden der Bauphase zu benennen, muss auf die Konstruktion des Korpus aufmerksam gemacht werden. Die engen Verschachtelungen zwischen Korpus und Mittelbodenkonstruktion bereiteten besonders gegen Ende etwas Sorge, da sich das Schleifen und Ölen als sehr kompliziert und zeitaufwendig herausstellten.

 

 

 

V. Kritik an „Wie im Himmel, so auf Erden“

 

Neben dem hohen Arbeitsaufwand, der bei manch einem für Unmut sorgen könnte, auf den allerdings nicht mehr eingegangen werden muss, gibt es vor allem einen Schwachpunkt im Argumentationsgang zum wichtigsten Themenfeld von „Wie im Himmel so auf Erden“ und zwar der Nachhaltigkeit.

 

Zwar wurde in diesem Möbelstück 95% Alt- und Restholz verbaut, allerdings musste verhältnismäßig viel Leim verbraucht werden, um gerade die negativen Eigenschaften von Altholz kompensieren zu können. 

 

Ob es in näherer Zukunft eine ökologischere / nachhaltigere Lösung für den im Tischlerhandwerk weitverbreitet und oft genutzten Weißleim geben wird, bleibt zur jetzigen Zeit noch offen. Fest steht allerdings, dass ein eigens angefertigter Leim zum Beispiel aus Quark oder anderen Naturprodukten keine ernstzunehmende Alternative geboten hätte. 

 

VI. Fazit

 

Mit dem Bau von „Wie im Himmel, so auf Erden“ konnten Erfahrungen gesammelt werden, die direkt und ohne Umwege in das Gesellenstück einfließen werden. Viele Komplikationen können nun durch den gesamten Planungs- und Bauprozess von vornherein präventiv ausgeschlossen oder zumindest eingedämmt werden. Des Weiteren ist die Freude an dem Gedanken, etwas so Individuelles kreieren und letztendlich auch umzusetzen zu dürfen, exponentiell in die Höhe gestiegen!

 

Jetzt bleibt es nur noch abzuwarten ob das Möbelstück „Wie im Himmel, so auf Erden“ wirklich das Zeug dazu hat, diese Welt ein Stückchen zu verbessern, oder ob es tatsächlich nur ein an Gewindestangen, von der Decke herabhängendes Regal bleibt.

"Wie im Himmel so auf Erden" - Galerie

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